Kundry-heute  
 
   
     
 

Produktion PARSIFAL Entfernung. SAKRILEG Kundry

Personifizierte Zeitlosigkeit: Sakrileg KUNDRY

Beobachtungen und Randnotizen während der Aufnahmen und Dreharbeiten
zu PARSIFAL Entfernung. SAKRILEG Kundry
Eberhard Kloke (Stand: 22.06.05)

 

 
 

Orte-Räume-Figuren-Personen von heute

Die für das Projekt ausgewählten Drehorte sind Räume und locations des Übergangs, der Zerstörung, des Verfalls.
Die Verwundung der Räume und ihrer Architektur geschah entweder durch Kriegseinwirkung, Verwahrlosung - und als deren Folge - durch Rückeroberung durch Natur. Die Unwirtlichkeit der Räume bewirkt, dass sich wie von selbst Situationen von extrem theatraler Ausdruckskraft ergeben.

Die Darsteller erscheinen als heutige Personen wie als zeithistorische Zitate aus einem fragmentarisierten Werk: "Parsifal-Splitter". Die in die Landschaft und Ruinen gesetzte Musik (Streichquartett) schafft ein Bild der Irrealität und Künstlichkeit (Illusion) gleichermaßen.

Der Raum im Zustand des Verfalls dominiert das stehende Bild ( engl." still"), die Figuren sind Teil einer Zeitmaschine, die Musik, Kontext von Ort und Raum und das gesamte Bedeutungsnetz der Kundry-Wanderungen bzw. Kundry-Verwandlungen verknüpft. Die Chronologie des Ausgangswerkes Parsifal scheint außer Kraft gesetzt, ist jedoch beim näheren Betrachten und Hineinhören neu zusammengefügt. Durch Aufhebung der Sukzession ergeben sich Bedeutungsmuster, die den Kern des Werkes scheinbar mühelos in die heutige Zeit, für gegenwärtige Zustände und Problemstellungen zu transferieren in der Lage sind.

Bei der Konzipierung der Szenen für die einzelnen Räume wurden gleiche und unterschiedliche Szenen für einen oder mehrere Schauplätze entwickelt (siehe Produktionsplan).
Das Szenario gibt einen Blick auf die jeweils gesetzte Grundsituation für Ort/Raum und Bild (siehe Szenario). Es geht aus von der Chronologie im Werk Parsifal, um die Systematik und Anwendung jederzeit klar vor Augen zu haben.

AUDIO
Die Audio-"Splitter" werden in der Reihenfolge als Audio-takes aufgenommen, wie sie im WERK Parsifal erscheinen, um jederzeit auf die innere Struktur und die thematisch-motivischen/harmonischen Bezüge rückgreifen und verweisen zu können.
Das Audio-Material in der Bearbeitungsfassung für Sopran und Streichquartett als Ausgangspunkt des medialen Experiments: nicht die Musik kommentiert das Bild oder die Szene, vielmehr kreisen die jeweilig bewusst gesetzten Prioritäten (der einzelnen medialen Parameter) um den Kern der Aussage.
Bei der Umsetzung/Aufnahme der "Patterns" hat sich sowohl beim Streichquartett wie auch beim Klavier ergeben, das musikalische Grundmaterial noch weiter zu "splitten" und in harmonische und rhythmische Zentren zu verdichten. Diese Patterns bilden das Material zur Ausformung der "Risse", die auf die jeweiligen Kundry-Einzelpassagen folgen und zusammen mit einer Video-Bild-Idee weiter ausformuliert werden.

VIDEO-Audio
Die Video/Audio-Aufnahmen werden laut Produktionsplan nach Maßgabe der Räume und Verfügbarkeit der Darsteller und Musiker gemacht. Es entsteht schon bei der Aufnahme das Bewusstsein und das feeling für permanenten Wandel und Verwandlung. Die improvisatorische Momentaufnahme setzt auf die Einzelqualität der jeweiligen Szenen und Situationen, aus der heraus sich der noch folgende Neu-Entstehungsprozess ableitet: als Ausstellungsprojekt, als Musiktheater-live-Projekt, als Video-Installation, als Konzert, als Internet-Projet, als Audio- und/oder DVD-Dokumentation, als Fotodokumentation.

Siehe auch
Laboratorium (PDF zum Download)
www.markuswintersberger.at

"Duchamps Urinoir als Schlüssel.....was bedeutet das aber im Endeffekt für die Kultur?

Um das zu beantworten, muss man sich fragen, wie unsere Kultur grundsätzlich strukturiert wird. Das kann man an Schlingensief gut demonstrieren. Grundsätzlich wird sie dadurch strukturiert, dass die Musik von Wagner für Schlingensief ein Ready-made ist. Die Musik von Wagner ist ein Effekt oder ein künstlerisches Verfahren oder ein Phänomen, das er neben vielen anderen für sein eigenes Kunstwerk benutzt. Er tritt insofern als einziger Autor auf und instrumentalisiert oder integriert Wagner beziehungsweise seine Musik als Ready-made...Es wird nicht die Musik Wagners zugänglich gemacht, sondern sie wird im Status des Urinoirs von Duchamp als ein Ready-made in einer Installation verwendet. Sie wird dort eingeordnet, wo sie passt....

Wir haben aber in unserer Kultur einen anderen Begriff der Autorschaft, der besagt, dass allein die Benutzung von Werken oder Gegenständen schon von selbst etwas aussagt, ohne dass sie manipuliert werden müssten. Denn die bloße Benutzung bereits vorhandener Elemente, also Dinge einfach als Ready-mades zu zeigen, ist genauso ein kreativer Akt, wie jede andere Art des Zeigens auch. Insofern ändert sich grundsätzlich nichts, wenn ich di Ready-mades als Teil eines eigenen Projektes zeige oder auf der Nullebene, in der nur die Musik gezeigt beziehungsweise gespielt wird, ohne jede eigene Zutat. Denn auch die Musik als solche zu zeigen, ist schon ein auktorialer Akt."

Boris Groys im Gespräch mit Carl Hegemann in: Kunst&Gemüse Theater ALS Krankheit
Carl Hegemann (Hg.) ©Alexander Verlag Berlin und Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz