Transkription im Spannungsfeld von musikalischer Tradition und gegenwärtigem Rückblick

Eberhard Kloke, im August 2013

Transkription - 1 Franz Liszt

Seit den Anfängen der Instrumentalmusik gibt es das Phänomen des Zitierens, Umformens, Adaptierens eigener oder fremder Kompositionen, auch der Wechselbezug von Vokal- und Instrumentalbearbeitungen ist im Verlauf der Musikgeschichte ein Dauerthema.

Eine der bedeutendsten und nachhaltigsten Transkriptionen der jüngeren Musikgeschichte ist sicher die Liszt’sche Beabeitung aller Beethoven-Sinfonien für Klavier. Dabei hat Liszt die Sinfonien nicht einfach nur in eine Art Klavierauszug übertragen, sondern das sinfonische Œuvre mittels einer für damalige Zeit (erste Hälfte des 19. Jahrhunderts) technisch innovativen Klaviertechnik transkribiert.
Da es ihm also nicht um die Erstellung eines Klavierauszug ging, brachte er vielmehr die Idee einer "Klavier-Partitur" (partition de piano) ein. Der daraus resultierende Klang (heute würde man sagen: sound) war sicher das "non plus ultra" für die damalige Zeit, welches zugleich maßlose Bewunderung aber auch Ablehnung hervorgerufen hatte. Liszt hatte mir Sicherheit mit dieser Transkriptionsarbeit einen erheblichen Anteil daran, dass die Beethoven-Sinfonien allmählich allgemeine Verbreitung und Beachtung fanden.
Seine epochenmachende Transkription von Berlioz’ Symphonie fantastique (1834) stand am Anfang, ab 1837 arbeitete er ständig, jedoch mit einigen Unterbrechungen an der Transkription der neun Sinfonien Beethovens. Erst 1851 erschien die Neunte in einer Fassung für 2 Klaviere und ab 1863 begann Liszt in Zusammenarbeit mit dem Verlag Breitkopf & Härtel mit der Revision aller früheren Transkriptionsarbeiten (an den Beethoven’schen Sinfonien) und 1865 erschien die gesamte Ausgabe der Sinfonie-Transkriptionen, die er Hans von Bülow widmete. Im Vorwort schrieb Liszt dazu: "Infolge des Aufschwungs, der das Klavier durch die Fortschritte in Spieltechnik und die Verbesserungen der Mechanik gewonnen hat, wird es jetzt möglich, mehr und Besseres zu leisten, als bisher geleistet worden ist. Durch die unermeßliche Entwicklung seiner musikalischen Macht sucht das Pianoforte sich mehr und mehr alle Orchesterkompositionen anzueignen. Im Umfang seiner sieben Oktaven vermag es, mit

Ferrucio Busoni, der große Liszt-Schüler hatte in seinem Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (1907) hatte sich – nicht zuletzt angesichts der immensen Hinterlassenschaft von Liszts Transkriptionsarbeiten – ausführlich zum Thema Transkription geäußert:

"Transkription: gegenwärtig ein recht mißverstandener, fast schimpflicher Begriff. Die häufige Opposition, die ich mit "Transkription" erregte, und die Opposition, die oft unvergnügliche Kritik in mir hervorrief, veranlaßten mich zum Versuch, über diesen punkt Klarheit zu gewinnen. Was ich endgültig darüber denke, ist: Jede Notation ist schon Transkription eines abstrakten Einfalls. Mit dem Augenblick, da die Feder sich seiner bemächtigt, verliert der Gedanke seine Originalgestalt. Die Absicht, den Einfall aufzuschreiben, bedingt schon die Wahl von Taktart und Tonart, Form und Klangmittel, für welche der Komponist sich entscheiden muß... Auch der Vortrag eines Werkes ist eine Transkription und kann – mag er sich noch so frei gebärden – niemals das Original aus der Welt schaffen... ...Im übrigen muten die meisten Klavierkompositionen Beethovens wie Transkriptionen vom Orchester an, die meisten Schumann’schen Orchesterwerke wie Übertragungen vom Klavier – und sind es in gewisser Weise auch."

Der Begriff Paraphrase versteht sich allgemein als eine Transkription mit gewollten Veränderungen. Im Online-Lexikon Wikipedia wird "Paraphrase (Musik)" folgendermaßen beschrieben:

  • musikakzente21
  • "Die Paraphrase ist dabei näherungsweise zwischen den beiden Polen der Transkription beziehungsweise des Arrangements, und der Variation und Improvisation über ein Thema beziehungsweise ganzem Werk anzusiedeln."

    Transkription und Paraphrase sind im 19. Jh. Bis hin zur Mitte der ersten Hälfte des 20. Jhs. musikalische Transformationstechniken, die sich meist vom Blickwinkel Orchesterwerk auf eine Klavierreduktion (also von "groß" auf "klein") hin beziehen. Mit Beginn des 20. Jhs. werden zunehmend auch, nicht zuletzt durch die Praxis des Schönberg’schen Vereins für musikalische Privataufführungen, Klavierwerke und Lieder in Orchesterfassungen transkribiert. Darüberhinaus entstand zunehmend der Wunsch, die Idee und damit die Praxis, größtbesetzte Orchesterwerke in kleinere, durchsichtigere Orchesterwerke, auch Kammermusikformationen, zu transkribieren.
    In dieser Tradition sieht sich der Autor dieser Abhandlung.

    Im folgenden werden ein paar der unterschiedlichen Transkriptionsansätze neuerer Provenienz beschrieben (insbesondere Liszt, Brahms und Mahler) und ein kleiner Ausblick dafür gegeben, in wie weit digitales Sampling und digitales Komponieren sich durchaus in der Tradition der Transkribierens befindet.

    Transkription 3-7 Eberhard Kloke

    3 Transkription zwischen Paraphrase und freier Bearbeitung am Beispiel späterer Klavier-Charakterstücke

    Gerade am Werk Liszts, insbesondere den späteren Klavierstücken, lässt sich eine Transkriptionsarbeit für Orchester im Hinblick auf heutige Orchester-Klangwelten besonders gut entwickeln. Der kompositorische Gehalt einerseits und die karge Klaviersprache andererseits lassen freiere Gestaltungs- und Transkriptionsmöglichkeiten auch im Sinne differenzierterer Orchester-Instrumentationstechnik zu. Ausgangspunkt bilden folgende Klavierstücke Liszts:
    (aus dem Sammelband "Einzelne Charakterstücke", Band II)

    1. 1 Trauervorspiel und Trauermarsch, Klavierstück (1885)
    2. 2 R. W.-Venezia, Klavierstück 1883
    3. 3 Am Grabe Richard Wagners, Klavierstück (1883)
    4. 4 Nuages Gris, Klavierstück (1881)
    5. 5 Recueillement, Klavierstück (1877)
    6. 6 La Lugubre Gondola No. 1, Klavierstück (1882)
    7. 7 La Lugubre Gondola No. 2, Klavierstück (1883)
    8. 8 En Reve, Nocturne für Pianoforte (1885)
    9. 9 Resignazione, Klavierstück 1877
    10. 10 Unstern!, Klavierstück (1885/86)
    11. 11 Schlaflos! Frage und Antwort (1883)
    12. 12 La Notte (1839/1866)

    4a Transkription als "komponierte Interpretation"

    am Beispiel: Sieben frühe Lieder (Gustav Mahler- Eberhard Kloke)

    Mahlers frühes Liedschaffen steht im Bannkreis der Wunderhornthematik, die er in seinen ersten Sinfonien (I-IV) wieder aufgriff. Mahler machte also in seinem früheren sinfonischen Schaffen gleichsam Anleihen bei sich selbst, indem er musikalische Substanz präexistenter Lieder symphonisch verarbeitete. Es sei erneut die Tatsache hervorzuheben, wie früh (in den späten 1880er und frühen 1890er Jahren) sich die Sprache und der kompositorische Gehalt Mahlers in vielen Ausprägungen schon zeigte. So sind die meisten der frühen Lieder für mich eine paradigmatische Metapher für das ganze kompositorische Schaffen. Eine Instrumentation vorzunehmen war – da es von Mahler selbst genug Lied-Instrumentierungen gibt – eine große Herausforderung und war gleichsam nur nachkomponierend zu lösen...
    Die vorliegende Transkription versucht nun in einer Art Umkehrung des Verfahrens, musikalische Themen (als Zitate), Kompositionstechniken, Instrumentationszitate und Allusionen aus der sinfonischer Wunderhorn-Welt der Sinfonien in die Liedorchestration einzuarbeiten und somit "interpretierend" weiter zu komponieren.
    Bei der Kennzeichnung der Spuren des "späteren" Mahlers (Wunderhornthematik) in den Sinfonien I-IV erschien es geboten, die jeweiligen Passagen mit "Episode I, II, III, IV (für die Sinfonien); 1, 2, 3...(für die Sätze)" zu kennzeichnen. Der von Mahler selbst öfter eingesetzte Begriff "lontano" oder "da lontano" mag als Metapher für die Bearbeitungstechnik dienen, das Nachfolgende/Spätere der musikalischen Entwicklung auf das Frühwerk zu beziehen. Der Titel Sieben frühe Lieder spielt auf Bergs gleich betitelte Liedsammlung an, die zeitlich parallel zu Mahlers Wunderhornsinfonik komponiert wurden.

    4b Transkription als komponierte Interpretation

    Richard Wagner, Wesendonck-Lieder für Frauenstimme und Klavier in einer Transkription als komponierte Interpretation ("Wagner-Studien 1-3" und "Tristan-Studien 1-2") für Sopran/Mezzosopran und Orchester.
    Die Klavier-Lieder Wagners wurden – um die prominentesten Versionen hervorzuheben – von Felix Mottl und Hans Werner Henze als Orchesterbearbeitungen vorgelegt.
    Die neue, eigene Transkription bringt die Lieder in eine schlankere Orchestergestalt, die sich weniger am spätromantischen Klangrausch orientiert, vielmehr sich einer in Streichern und Bläsern ausbalancierten, verdichteten und differenzierteren Instrumentierung widmet. Dabei werden Klangelemente (Zitate, Allusionen) der Tristan-Partitur über den Wagner’sche Klaviersatz hinausgehend eingesetzt, auch mit dem Hinweis auf Tannhäuser wird das Wagner’sche Zitat weitergesponnen.
    Die vorliegende Transkription versucht also in einer Art Umkehrung des Verfahrens, musikalische Themen (als Zitate), Kompositionstechniken (Satztechnik, Harmonik), Instrumentationszitate und Allusionen aus den Wagner-Partituren (insbesondere Tristan und Tannhäuser) in die Liedorchestration einzuarbeiten und somit "interpretierend" weiter zu komponieren.

    4c Transkription als "komponierte Interpretation"

    am Beispiel: Brahms, Vier ernste Gesänge op. 121 für Gesang (Bass) und Klavier (1896), Drei ernste Gesänge, Transkription (Lieder 1-3) für Mezzosopran/Bariton und Orchester
    1. Ich wandte mich
    aus Vier ernste Gesänge op. 121 (Prediger Salomo Kap. 4, Eccliastes IV.)
    2. Denn es gehet dem Menschen
    aus Vier ernste Gesänge op. 121 (Prediger Salomo Kap. 3, Ecclesiastes III)
    3. O Tod, wie bitter bist du
    aus Vier ernste Gesänge op. 121 (Jesus Sirach, Kap. 41-Ecclesiasticus 41.)

    Transkription (Lieder 1-3) für Mezzosopran/Bariton und Orchester Besetzung: folgt

    5a Transkription RING als Instrumentationsverdichtung

    Zentrales Anliegen für eine neue Transkription von Wagners Der Ring des Nibelungen war also, sowohl eine aufführungspraktische Alternative, als auch eine neue Klangausrichtung für das Werk herzustellen. Dieser Versuch sollte jedoch nicht mit den Ansätzen der sogenannten historisch informierten Interpretationspraxis verwechselt werden. Bei der vorliegenden Transkription geht es um eine nicht geringfügige Veränderung des Klangbildes und damit der Klangstruktur innerhalb des Orchesters sowie der Balance zwischen Bühne und Orchester. Dem vermeintlichen Verlust von "großem Opernklang" wird eine radikalere kompositorisch-klangliche Substanz entgegengesetzt – im Sinne einer Feinabstimmung zwischen den Sängern und dem deutlich verkleinerten Orchester. Es ergibt sich hieraus die Möglichkeit einer größeren Flexibilität bei der Besetzung der Sänger in Richtung von schlankeren und "sprachfähigeren" Stimmen, die nicht ausdrücklich auf das hochdramatische Fach spezialisiert sind. Textverständlichkeit und klangliche Transparenz sollen die theatralische Präsenz erhöhen, was Wagners musiktheatralischem Anliegen unzweifelhaft entspricht. In diesem Zusammenhang sei an Wagners Worte erinnert, die er vor der Ring-Uraufführung 1876 an die Sänger richtete: "Deutlichkeit! – Die großem Noten kommen von selbst; die kleinen Noten und ihr Text sind die Hauptsache." (siehe Vorwort: PdF-Datei in englisch/deutsch)

    5b Transkription Mahler als Instrumentationsverdichtung

    Gustav Mahler, Kindertoten-Lieder, Transkription für Stimme und Kammerensemble (10 SpielerInnen), Berlin, August 2013; tiefe und hohe Version
    Bes.: Fl/Altfl, Ob/Eh, Klar in B und A, Bassklar in B und Klar in A/B, Fg/Kfg, Hr;
    Harfe; Violine, Bratsche, Kontrabass = 10

    5c Gustav Mahler, Rückert-Lieder

    Transkription für Stimme und Kammerensemble (15 SpielerInnen), Berlin, August 2013; hohe und tiefe Version
    Bes.: Fl/Altfl, Ob/Eh/Ob d’amore, Klar in B und A, Bassklar in B und Klar in A/B, Fg/Kfg; Hr, Trp, Pos; Klavier/Cel; Harfe; Streichquintett = 15

    6 Transkription als Paraphrase

    Parsifal Entfernung_Sakrileg Kundry (Transkription der Kundry-Szenen aus Wagners Parsifal)

    Die Transkription/Paraphrase
    Um Musiktheater aus den Konventionen der tradierten "OPER" zu erlösen, schuf Wagner sein eigenes Musikdrama. Dieses Musikdrama Richard Wagners wiederum heute für weiterführende musik-konzeptionelle Ebenen und neue Interpretationsansätze zu öffnen, ist das Leitmotiv von Parsifal Entfernung Sakrileg Kundry. Das Projekt versteht sich als eine heutige Möglichkeit der Annäherung an Wagners "Parsifal". Distanz, Ferne, Beseitigung – Nähe, Intensität, Auseinandersetzung sind Begriffs-Metaphern, die die unterschiedlichen und wechselnden Pole und Ansätze beschreiben können. Der räumlichen Ausweitung auf Nicht-Theater-Schauplätze ist gegenübergestellt die Reduzierung auf die kleinere musikdramatische Ausdrucksformen, gleichsam eine Reduzierung auf die Substanz. Das Wechselspiel von live-Musik im RAUM und Video/Musik-Abbildung schafft sowohl äußerste Nähe wie intendierte Distanz (ENTFERNUNG).

    Die musikalische Bearbeitung
    Die Musik (Partitur) auf die musikalische Grundgestalt eines Streichquartetts konzentriert. Melodische, harmonische und rhythmische Details bleiben erhalten. Die einzelnen Sequenzen werden chronologisch passfähig gemacht, um die Einheit der musikalischen Vorgänge zu garantieren und einem vordergründigen Eindruck von patchwork entgegenzuwirken, außerdem, um der musikalisch-bildhaften Ausdeutung in den RÉPLIQUES eine Richtung vorzugeben. Eine chronologische Präsentation ist jedoch - gerade im Hinblick auf eine live-Performance – nicht zwingend notwendig.

    8 Transkription als "Digitales Editieren/Komponieren":
    siehe Einleitung zu Lontano I/II/III

    Projekt Lontano II: Wagner 2013

    1. Annäherung an Wagner durch Bearbeiten/Editieren (Skript-Bearbeitung des RING)

    2. Entfernung von Wagner durch audiovisuelles Interpretieren (Lontano II, Wagner-Material im digitalen Kompositionsprozess)

    Wagner ab 2010 (nach)-komponierend zu interpretieren bedeutet zunächst, eine Richtungsentscheidung für das Prozedere zu treffen.

    Auf der einen Seite entwickelte sich ab 2008 die Idee, eine Skriptfassung der Neubearbeitung des Ring für Soli und mittelgroßes Orchester herzustellen. Im Vordergrund stand dabei, mit einer schlankeren, an heutigen Klangkriterien orientierten Instrumentation das Klangbild des Orchesters und die Balance zwischen Gesang und Orchester neu auszurichten. Zentrales Anliegen für eine neue Transkription von Wagners Der Ring des Nibelungen war also, sowohl eine aufführungspraktische Alternative – bei grundsätzlicher Beibehaltung des Wagnerschen rhythmisch-harmonischen Satzes – als auch eine neue, differenzierte Klangperspektive für das Werk herzustellen. Diese Arbeit wurde bis 2012 realisiert und wird zur Zeit verlagstechnisch (UE) umgesetzt.

    Auf der anderen Seite wird im audiovisuellen Projekt LONTAO II der Versuch unternommen, Wagner-Materialien mittels digitalen Komponierens (6) und Editierens (Sampling-und Remixverfahren) neu zu thematisieren und gleichsam audiovisuell komponierend zu interpretieren.

    1 Montage(4) und Sampling (Audio-Material A)

    Im ersten Schritt geht es darum, aufgenommenes "Wagner-Material" (Musik, Gesang, Texte) mittels digitalen Samplings zu neuen AUDIO-Datenbänken zu montieren. Dieser Prozess akzentuierender Bearbeitung bringt sowohl "komponierende" Montage als auch das Sampling (7) von re-komponiertem, historischem Audio-Material zur Anwendung. Der umfassende Bereich des Samplings bezieht sich auf "Wiederaneignung" und "Neubestimmung" des eigenen Medienpools mit anderen Mitteln, genutzt werden die erweiterten Montage- und Transformationsmöglichkeiten des digitalen Materials.

    2 Montage(4) und Collage(5) (Audio-Material B)

    In einem zweiten Schritt werden ausgewählte akustische Environments aus vielfältigen Bereichen – also der Einbezug kontextfremder, neu entdeckter sounds/Geräusche (analog aufgenommen: Sprache, Geräusch, situative akustische Environments: aktuelles und historisches Material) – mit (Audio-Material 1) collagiert und in thematisch-programmatische Setzungen überführt, die sich vom Wagner-Kontext her ergeben. Im letzten Bearbeitungsschritt wird das durch Montage und Collage4 bearbeitete Audio-Material mittels inhaltlicher Ausrichtung zu klar definierten, thematisch gesetzten Audiofiles zusammengesetzt.

    Diese Audioprodukte zum Thema Wagner werden als akustische Gegen-Plattform zur institutionell veranstalteten "Wagner-Pflege" im Jahr 2013 zur Diskussion gestellt. Das Netz fungiert dabei sowohl als Kommunikationsmedium wie auch als Speicher.

    3 Audiovisuelles Komponieren (Material audiovisuell)

    Dabei eröffnen sich an der Schnittstelle von digitaler Skriptanwendung – siehe Punkt 1 – und den damit gleichzeitig bereitgestellten Audio-Midi-Daten und digitalem Komponieren im Medium der Samples neue Bezüge und Querverbindungen zum Ausgangspunkt Wagner selbst wie auch weit darüber hinaus zu heutigen Musik- und Bildwelten.
    Die von Wagner thematisch-musikalisch ausgehenden, jedoch sich mittels digitaler Umsetzungsprozesse von Wagner entfernenden Audio-Produktionen werden im dritten Schritt kontrapunktiert mit den Bild- und Video-Welten Markus Wintersbergers. So wie sich die digital bearbeitete Musik vom Ausgangspunkt löst, führen die Bilder ein inhaltliches "Eigenleben", Bilder, die jedoch immer zum thematischen Ausgangspunkt zurückzukehren vermögen.

    7 Transkription als "Digitales Editieren/Komponieren": aus Vexamplosition Digitale Komposition

    Digitale Komposition tritt anstelle tradierter Kompostionsmechanismen, die im eigentlichen Sinne immer Schreib-Kompositionsprozesse waren. Dieses prozessuale Komponieren zwischen Idee, Soundkreation (analog+digital), Sampling-Resampling und Speicherung beinhaltet die Möglichkeit, allzeit die jeweiligen kompositorischen Schritte hörend zu überprüfen – gleichsam die Komposition immer vom Klangergebnis zu denken, „abzurufen“ und zu justieren.
    Der kompositorische Prozess von der Idee bis zur Klangaufzeichnung verschnellert sich augenscheinlich rasant. Diese Arbeitsweise wird die tradierten „Schreib“-Kompositionsprozesse vielleicht nicht ganz auflösen, mindestens jedoch immens beeinflussen: durch eine gewaltige, fast noch unübersehbare digitale Klanggestaltungsvielfalt und Bearbeitungsqualität, die sowohl die kompositorischen Prozesse wie die Umsetzungs- und Interpretationsmöglichkeiten enorm verändern werden.
    Die Prognose sei gewagt, dass – abgesehen von Hochglanz-Realisationen der tradierten Musikwerke oder deren Ausläufer bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts– jedwede neuere Musikerfindung (Komposition und Klangrealisierung) auf diesen zukunftsträchtigen Möglichkeiten basieren wird.

    Die Essentials dieser digital "komponierender" Bearbeitungen und kompositorischer Neuschöpfungen sind:



    • Das „gewonnene“ (analog erzeugte) Audio-Material ist der grundlegende Baustein des Sampling-Materials. Das Audiomaterial generiert sich aus dem großen Pool historischer (notierter) Musik. Der von Bernd Alois Zimmermann geprägte Begriff von der “Kugelgestalt der Zeit“ bekommt im digitalen Zeitalter eine neue Dimension.

    • Das digital generierte Audio-Material bildet den zweiten kompositorischen Materialspeicher.

    • Der Sampler* mit seinen multifunktionalen Anwendungsmöglichkeiten ist das wesentliche Kompositionswerkzeug.

    • Die daraus und danach erfolgende digitale Klangbearbeitung sucht/komponiert Form-Balance, Zeitstruktur-Rhythmus, Melodische Verläufe-Harmonische Spektren, Dynamik-Agogik.

    • Der kompositorische Vorgang von Aufnahme, Auswahl, Sampling* und digitaler Klangbearbeitung und medialem Transfer bleibt zu jeder Zeit prozessual. Obwohl jedes Vexamplosition-Projekt final fixiert wird, versteht es sich aufgrund seiner digitalen Speicherstruktur als auch wegen seiner offenen Anlage als work in progress

    *Sampling bezeichnet das digitale Speichern von Klängen, Geräuschen, Klangstrukturen, um sie als Originalsound oder digital (elektronisch) bearbeitet in einen neuen Kontext zu integrieren. Im Unterschied zum Synthesizer, dessen Ausgangssignale durch rein elektrische oder mathematische Prozesse erzeugt werden, kann ein Sampler dazu jegliche Art von Audiosignalen benutzen.