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  Interview II

Fragen von Dr. Karl Lehmann (Berliner Kultur-Woche) an Dr. Christian Saalfrank

Das Interview wurde am 6.6.2003 in Berlin-Lichtenberg geführt
 
   


KL: Wie funktioniert eigentlich das künstlerisch-organisatorische Modell für die "Treffen..."?

CS: Uns ist es gelungen, mehrere Veranstalter von der Idee des Treffens zu überzeugen, um dann vom inhaltlichen Kern aus individuelle Realisierungsmodelle zu entwickeln. Organisatorisch und finanziell bedingt dabei aber das eine das andere und nichts wäre isoliert tragfähig. Der Kern ist also ein Netzwerk von Trägern und eine ganz flexible, modular programmatische Idee, die zentral und mit wenig Aufwand zu steuern ist. Eigentlich genauso wie in der Industrie heute versucht wird, bei minimaler Varianz z.B. der Einzelteile den maximalen Output zu erzielen und zugleich flexibel auf die Nachfrage zu reagieren.

KL: Woher kommen die Künstler, ist die Mehrheit freiberuflich tätig?

CS: An dem Punkt sind wir eher Nutznießer, denn viele Teilnehmer sind nicht auf unser Brot angewiesen und fest in Lohn. Dies ermöglicht uns überhaupt erst, diese wahnsinnige Qualität des Teams mittels inhaltlicher Überzeugung zu bekommen und finanzieren zu können.

KL: Sind die Programm-Module zu "Das Treffen in.." nicht ein gewisser Etikettenschwindel: immer das gleiche Programm mit ein paar mehr oder weniger ins Gewicht fallenden Abweichungen?

CS: Auch Äpfel und Birnen haben Kerne und sind grün und in jedem Auto steckt ein Motor, damit sich das Blech bewegt. So ist bei uns auch das Programm mit seinen Identitäten Movens für Ergebnisse völlig unterschiedlicher Art. Das eine ist eine ganztägige Reise von gut 200 km durch das Münsterland mit acht Stationen in 12 Stunden, das nächste eine musikalische "Reise" durch eine unwirtliche Burg-Ruine im Zusammenhang mit einem Künstlertreffen und das letzte eben das "Treffen" unter dem Titel "Das Urteil" als raumszenisches Doppelkonzert an einem peripheren Ort im Zentrum Berlins.

KL: Wieso brauchen Sie für die Realisierung einen Trägerverein, wird die Organisation und Bürokratie damit nicht zusätzlich aufgebläht?

CS: (lacht) Eine typische Kultur-Journalisten Frage. Ohne Körperschaft ist man in Deutschland doch nichts, das geht doch gar nicht. Da sich Verwaltung - und hier insbesondere, aber nicht nur öffentliche Verwaltung - von einer bestimmten Größe an zunehmend nur noch selber verwaltet, ist es letztlich egal, ob man die Einhaltung von DIN-Vorschriften oder die Produktion von Kunst als Ziel von Bürokratie hat. An Bürokratieabbau innerhalb von Institutionen ist bisher noch ein jeder mehr oder weniger elegant gescheitert. Jede diesbezügliche Idee führt doch in Deutschland zur Addition zusätzlicher Apparate anstelle der Substitution des Alten. Und so türmt sich ein sinnloser Institutionenmoloch hierzulande auf, der bald noch das letzte sprießende Pflänzchen der Kreativität ersticken wird. Das übermäßige Verwalten ist doch das Zeichen für Mutlosigkeit, Mangel an Verantwortungsbereitschaft, Zukunftsnegation, Stumpfsinn und Führungsunfähigkeit. Ich wage zu behaupten, dass man schlanker als wir mit Musikakzente keine Kulturprojekte fahren kann. Inhalt pur. Jeder Euro, den ich irgendwo sparen kann, und da gebe ich mir zur Freude weniger massive Mühe, fließt bei uns direkt und ohne Genehmigungsprozedere in die Kunst.

KL: Fällt bei Ihren Programmen der Anteil der Neuen Musik finanziell ins Gewicht? Ist bei alternativen Organisations- und Veranstaltungsformen Aufführungsmaterial, Leihgebühr und GEMA überhaupt noch finanziell zu stemmen?

CS: Sie vermischen hier die Dinge doch kräftig. Die Abgabe an die GEMA ist richtig und notwendig, auch in der nicht unbeachtlichen Höhe. Die Urheber von Kunst müssen geschützt werden und haben mit der GEMA ein im wesentlichen funktionierendes und marktgerechtes Modell der Verwertung geistigen Eigentums. Etwas ganz anderes ist die Preisgestaltung der Verlage, die gerade im Bereich der Neuen Musik jenseits eines funktionierenden Marktes als Monopolisten agieren. Hier werden eigene wirtschaftliche Versäumnisse auf Kosten derjenigen abgerechnet, die auf die guten Produkte der Verlage, also das Leihmaterial, angewiesen sind. Das ist ärgerlich und für die Sache sehr kontraproduktiv.

KL: Sie waren bis vor kurzem in verantwortungsvoller Position eines Consulting-Unternehmens tätig. Was reizt Sie, in diesen - wirtschaftlich labilen - Zeiten ins Kultur-Management zu wechseln?

CS: Die Affinität zum Inhalt ist von 0 auf 100 gestiegen.

KL: Auch an Sie die Frage: Während Sie Ihre Programme realisieren, verhungern mehrere 1000 Kinder in Afrika. Können Sie angesichts des überall existierenden, großen sozialen Elends diesen Aufwand rechtfertigen? Können Sie ruhig schlafen, Herr Dr. Saalfrank?

CS: Nichts geschieht im luftleeren Raum, alles steht in irgendeinem Kontext. Eine bedingende Kausalität zwischen den oben genannten Ereignissen kann ich aber beruhigt ausschließen, denn Beides ist zuerst Ergebnis bzw. Ausdruck und nicht Ursache gesellschaftlicher Zustände. Das Elend auf dieser Welt hat aber sicher etwas mit dem geistigen Vermögen derjenigen zu tun, die auf solch abstruse Zusammenhänge kommen.

KL: Wie sind die Pläne, wie sind Ihre Pläne für den Verein, können Sie etwas über PERSPEKTIVEN sagen?

CS: Das hat viel mit Ihrer richtigen Einschätzung zu tun, dass wir in wirtschaftlich labilen Zeiten leben. Der Erfolg kommt nirgends von allein, wie gut das Produkt auch ist, das man anbietet. Aber: Wir sind auf vielen Ebenen mit unterschiedlichsten Dingen in aktiver und heißer Akquise und diesbezüglich notorisch optimistisch. Schauen Sie ab und an auf unsere Homepage www.musikakzente.de, alles was spruchreif ist wird dort immer sofort veröffentlicht.

KL: Wie und wo sind Sie eigentlich präsent mit Ihrem Trägerverein Musikakzente 21. Jh. e.V.?

CS: Mit dem Verein als Körperschaft sind wir beim Vereinsregister und natürlich beim Finanzamt präsent. Ansonsten verweise ich auf den Sonnenkönig im Sinne des Plurals von Kloke und mir: Der Staat sind wir.

 
 

  
           
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